Rotes Meer by Åke Edwardson

Rotes Meer by Åke Edwardson

Autor:Åke Edwardson
Die sprache: de
Format: mobi, epub
ISBN: 9783548920825
Herausgeber: Ullstein Taschenbuch
veröffentlicht: 2011-11-14T16:27:07+00:00


20

Riita Peltonen sah jünger aus, als Winter erwartet hatte. Er hatte keine Ahnung, was er sich vorgestellt hatte, vielleicht jemanden, der geradewegs dem östlichen Karelien entstiegen war, spätes neunzehntes Jahrhundert. Vorurteile stellten sich leicht ein, besonders hier, in diesen Stadtteilen, wo die Vorstellung von Menschen nie mit Wissen über sie einherging, und wenn doch, dann war es das Wissen anderer, und in den meisten Fällen war es falsch.

Er wollte Riita Peltonen selbst treffen, selbst mit ihr reden.

Sie sprach ein singendes Schwedisch. Wenigstens das entsprach seiner Erwartung. Das war kein Vorurteil, es handelte sich einfach um eine schöne Sprache. Sie erinnerte an Mittsommer, bevor der Hochsommer die Oberhand gewann.

Riita Peltonen sagte: »Hier gibt es viele Jungen auf Fahrrädern.«

»Das verstehe ich.«

»Wie sieht er aus?«

Winter versuchte, den Jungen zu beschreiben.

»So sehen viele aus.« Sie lächelte.

»Er scheint nachts unterwegs zu sein. Ist das üblich?«

»Tja … das hängt von ihrem Zuhause ab. Ob die Eltern Kontrolle über sie haben, oder wie man das nennen soll. Manche Eltern haben kaum Kontrolle.« Sie sah Palm an und dann wieder Winter. »Und manche üben viel zu viel Kontrolle aus.« Sie zuckte leicht mit den Schultern. »Nichts von beidem ist gut.« Möglicherweise lächelte sie wieder. »Alles in Maßen, dann ist es richtig.«

»Aber dieser Junge darf offensichtlich machen, was er will«, sagte Winter. »Er fährt auf seinem Fahrrad herum. Ich hab ihn hier gesehen.«

»Hier?« Sie sah sich um. »Hier, auf diesem Hof?«

»Ja, zwischen den Häusern hier und dann weiter da oben.« Er zeigte in die Richtung, aus der er und Palm gekommen waren. »Er ist den Abhang neben den Treppen raufgefahren.«

»Ich muss meine Kolleginnen fragen«, sagte sie. »Nach Ihrer Beschreibung weiß ich nicht, wer es ist.«

»Das verstehe ich.«

»Es gibt so viele Jungen … jetzt in den Sommerferien wimmelt es von Jungen. Warten Sie noch eine Stunde oder so, dann kommen sie raus.«

»Er hatte einen Tennisball«, sagte Winter.

»Warum wollen Sie mit ihm reden?«, fragte sie. »Ich weiß wohl, dass es mit diesen schrecklichen … Schüssen zu tun hat. Aber was hat der Junge damit zu tun?«

»Das wissen wir noch nicht. Mehr kann ich nicht sagen.«

»Hat er was gesehen?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Winter. »Ich hoffe es.« Er breitete die Arme aus. »Aber andererseits hoffe ich es natürlich nicht.«

»Könnte er in Gefahr sein?«, fragte sie. »Sucht ihn auch noch jemand anders?«

Riita Peltonen dachte wie ein Fahnder. Sie strich sich über die ergrauenden blonden Haare. Sie sah nicht älter als fünfundfünfzig aus. »Ist es so wichtig?«

»Ich glaube ja«, sagte Winter.

»Ich werde tun, was ich kann.«

»Vielleicht ist er auch schon umgezogen.« Winter sah Palm an. »Die Familie könnte umgezogen sein, ohne es Ihnen mitzuteilen. Das ist doch möglich, oder?«

»So was ist schon vorgekommen«, sagte Palm.

»Wann?«, fragte Riita Peltonen.

»In den letzten Tagen, seit die Morde passiert sind.« Winter sah eine schwarz verschleierte Frau aus einer Haustür treten. Sie warf ihm einen Blick zu und sah dann weg, über die Wiesen und Felder. »Oder heute Nacht.«

Hiwa Aziz’ Freunde wohnten über die nördlichen Stadtteile verstreut. Aber es waren nicht viele. Man braucht nicht viele Freunde, dachte Winter, wenn es nur die richtigen sind.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.